Ironman Haiwaii 2002 – Rudolf König

ironmanlgoAm 6. Oktober 2002 um 6.30 Uhr hebt der Airbus vom Flughafen Düsseldorf ab. Nach Zwischenlandungen in Frankfurt, Chikago, Los Angeles landet die Maschine um 19.30 Uhr Ortszeit in Kona auf Big Island/Hawaii. Ein 26-stündiger Flug liegt hinter uns und wir werden mit einem „Lei“, dem landesüblichen Blütenkranz, begrüßt. Es ist für unser Empfinden erstaunlich warm, ca. 30° C, und nach dem Einchecken im Hotel fallen wir müde ins Bett.

Big Island zeigt sich von seiner schönsten Seite, strahlende Sonne, wenig Wind und Temperaturen um 30-35° C. Die nächsten Tage sind ausgefüllt mit leichtem Training. Morgens vor Sonnenaufgang, um 6 Uhr wird gejogged. Die schönste Trainingseinheit ist das Schwimmen bei Sonnenaufgang von 7-8 Uhr am Pier von Kailua-Kona. Das Wasser ist glasklar und ca. 26° C warm, nur leichte Wellen. Du schwimmst wie in einem Aquarium. Unter dir Hunderte von Fischen in allen Größen und Farben. Phantastisch! Nach reichhaltigem Frühstück, das besonders durch die Vielfalt der Früchte beeindruckt, geht es meist zum Radtraining auf den Highway. Dieser ist gewellt wie ein überdimensionales Waschbrett. Es geht immer rauf und runter, rechts und links schwarze Lavafelder, weiter hinten leuchtet der blaue Ozean. Der Nachmittag gehört dem Faulenzen am Strand. Die Brandung ist beeindruckend und am „White Sands Beach“ begegnet mir im Wasser eine Riesenschildkröte. Ich habe mehr Respekt vor ihr als sie vor mir. Auf der Inselrundfahrt besuchen wir den „Hawaii Volcanos National Park“, denn schließlich ist der Kilauea auf Big Island einer der aktivsten Vulkane unserer Erde. Auf einem Lavafeld konnten wir hautnah und schweißgebadet den Austritt glühender Lava aus den kleinen Kratern erleben. Beeindruckend!

Mitte der zweiten Woche schlägt das Wetter um. Regen und starker Wind mit hohem Wellengang! Wir sind alle beunruhigt. Aber das Wetter bessert sich wieder. Die letzten Wettkampfvorbereitungen: Abgabe der Kleiderbeutel, Wettkampfbesprechung (in Deutsch), Einchecken der Räder, Pasta-Party zum Bunkern von Kohlenhydraten.

Und dann ist es soweit! In der Nacht vor dem Wettkampf monsunartiger Regen. An Schlaf ist nicht zu denken. Zum Frühstück um 4 Uhr klatscht die Brandung über die Hotelterrasse, auf der wir immer gefrühstückt hatten. Alle haben Angst. Ich auch. Um 5 Uhr fährt der Shuttlebus zum Pier. Die Szenerie ist gespenstisch. In der Dunkelheit gilt es sich zu konzentrieren: Startnummer auf Arme und Beine malen lassen, letztes Überprüfen des Bikes, Aufpumpen der Reifen, Füllen der Getränkeflaschen, Abgeben des Kleiderbeutels. Immer noch Regen!

Endlich, kurz vor 7 Uhr wird es hell, die amerikanische Hymne wird gesungen. 7 Uhr! Der Startschuss knallt! Über 3000 Arme und Beine bringen das Wasser am Pier von Kailua-Kona zum Kochen! Die übliche Hektik beginnt, jeder drängelt nach vorne. Das geht nicht ohne Treten und Stoßen ab. Bald finde ich meinen Rhythmus und fühle mich gut. Die großen bunten Segel des Schiffes am Wendepunkt sind eine gute Orientierungshilfe. Auf dem Rückweg verliere ich die Orientierung und schwimme Zick-Zack-Kurs. Auf einmal spüre ich auch, wie mich die Wellen hoch heben und wieder fallen lassen. Nur nicht seekrank werden! Ich erinnere mich daran, dass ich ja eigentlich solchen Wellengang liebe. Bald sehe ich die riesige Gatorade-Flasche, die den Schwimmausstieg markiert und nach 3,8 km in 1:54 Std. habe ich wieder festen Boden unter den Füßen. Flott geht es durch die Süßwasserdusche zum Umkleidezelt. Freundliche Helfer stehen schon mit dem Kleiderbeutel und dem Bike bereit.

Auf geht`s! 180 km Rad fahren liegen jetzt vor mir, das wusste ich, das stört mich nicht. Mich stört der Regen, der von oben prasselt und von unten hoch spritzt und die Schuhe sofort durchweicht. Ich hasse Rad fahren im Regen! Noch nie hatte es beim Ironman Hawaii auf der Radstrecke geregnet. Aber nach einer Stunde reißen die Wolken auf und die Sonne kommt hervor. Der Highway dampft, die Lavafelder dampfen, es entsteht Treibhausklima. Immerhin ist es windstill. Die Stimmung steigt, das Tempo auch. Ich motiviere mich neu. Es ist wunderschön!

Jetzt nur nicht Essen und Trinken vergessen. Es gibt genug unterwegs. Zwanzig Km vor dem Wendepunkt in Hawi steigt der Highway ständig an und plötzlich bläst auch der Nord-West-Passat ganz schön kräftig und genau von vorn. Nach dem Wendepunkt beginnt das Vergnügen: Bergab und Rückenwind! Kette rechts und Tempo bolzen, 40-50 km/h. Nach zwanzig Km wechselt die Richtung und plötzlich kommt der Wind von vorn. Jetzt wird es hart, Kette links und 12-15 km/h. Der gefürchtete „Mumuku“ bläst mir ins Gesicht. Die ersten Krämpfe in den Oberschenkeln beunruhigen mich. Noch mehr trinken! Geduld haben! Der Km/h-Schnitt wird immer niedriger, die Beine immer müder. Vor Kona plötzlich wieder Rückenwind, die Beine werden wieder lockerer. Nach 7:24 Std. ist die 2. Wechselzone erreicht und die freundlichen Helfer nehmen mir das Rad ab und halten den Kleiderbeutel bereit. Ich erschrecke mich vor meinen Füßen, sie sind weiß und aufgequollen wie die einer Wasserleiche. Trotzdem rein in die Laufschuhe und los! Nur keine Krämpfe bekommen wie in Frankfurt. Langsam beginnen! Die Sonne brennt, der Schweiß rinnt. Trinken! Trinken! Trinken! Ich muss eine Gehpause einlegen. Plötzlich steht „meine bessere Hälfte“ Ria am Wegesrand, filmt und feuert mich an. Das tut gut. Weiter geht`s. Auf dem Alii-Drive Hunderte von Menschen: „Good Job!“ You`ll get it!“ „You look god!“ Das baut auf. Trotzdem muss ich Gehpausen einlegen, will mich noch schonen. Die Füße fangen an zu brennen, aber keine Krämpfe. „Turn around“ Alii-Drive ist erreicht und es geht zurück nach Kona. Die Sonne geht unter, diesmal habe ich keine Zeit, auf den „Green-flash“ zu warten, der beim Versinken der Sonne in den Ozean ganz kurz zu sehen ist. Auf einmal ist es dunkel, jetzt beginnt die Einsamkeit auf dem Highway. Aus der Dunkelheit tauchen urplötzlich die „Glühwürmchen“ auf und verschwinden wieder in der Nacht. Auch ich bekomme an der nächsten Verpflegungsstation einen solchen Leuchtstab. Die Füße brennen immer stärker. Endlich taucht aus der Dunkelheit die Abzweigung zum „Natural Energy Lab“ auf. Bergab läufts prima, bergauf gehe ich. Endlich geht es jetzt zurück nach Kona, nur noch acht Meilen. Ich überhole einige Trias, die noch müder sind als ich. Endlich die Lichter von Kona! Ich spüre kaum mehr die brennenden Füße, nur noch 1,5 Meilen! Die Palani-Road runter kommen die Füße kaum mit. Nochmal links herum, und dann zweimal rechts herum auf den Alii-Drive, nur noch eine halbe Meile. Was jetzt folgt, ist kaum zu beschreiben. Das sind Emotionen pur! Aus der Dunkelheit und Einsamkeit des Highway tauche ich in ein Meer der Begeisterung. Hunderte, ja Tausende begeisterte Menschen jubeln mir zu. Ich winke und juble zurück. Plötzlich ist Ria neben mir! Wir rennen und jubeln gemeinsam die letzten 100 Meter. Es ist einmalig! Die Finish-Line ist erreicht und ich höre mich jubeln: „I`m an Ironman!“ Es ist ein unbeschreibliches Gefühl! Die Marathonzeit betrug 6:17 Std., aber wen interessiert das jetzt, ich habe beim Ironman Hawaii gefinished und mir damit einen Traum erfüllt! Ich bekomme einen „Lei“ umgehängt. Freundliche Helfer reichen mir das Finisher-Tshirt und die Medaille. Die Füße
brennen wie Feuer, ich kann kaum gehen. Ich werde zum Foto-Shooting geführt. Eine junge, hübsche Masseurin streicht gefühlvoll meine Beinmuskulatur aus, massiert mir Rücken und Nacken, ich schlafe ein. Ria weckt mich und wir gehen langsam zum Hotel. Noch immer kommen Finisher und werden genau so bejubelt wie ich vorher. Nach dem Duschen falle ich müde ins Bett, das Aufstechen der zahlreichen Blasen an den Füßen verschiebe ich auf morgen.

Der Ironman Hawaii wird für mich ein unvergessliches Erlebnis bleiben. Er war alle Mühen und Schmerzen wert! Er war der Höhepunkt in meinem Sportlerleben. Aloha!

rudolfkoenighawaii2002

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