History: Von den Süchtelner Höhen zu den Kohala Mountains auf Hawaii

aus ASV Infoheft (Saison 94/95)

Von den Süchtelner Höhen zu den Kohala Mountains auf Hawaii

Abenteuer?

 Um es vorwegzunehmen: Erfolge im Triathlon machen auch im Alter noch verdammt viel Spaß! Es geht nicht mehr wo ein „schneller, weiter und höher“, sondern wo die fühlbare Tatsache, daß sich Leistung im Alter relativiert.
Abgesehen von den Triathlonstars, die in einem Alter Bestzeiten aufstellen, wo sie in anderen Sportarten schon zum alten Eisen gehören, sind es die Senioren, Veteranen, Methusaleme, die mit ihren Leistungen beeindrucken, ja Aufsehen erregen.
Doch bei allem Sportgeist, dem IRONMAN Triathleten haftet etwas vom „Abenteurer des Ich“ an. Dies gilt insbesondere für die Teilnehmer(innen) am legendären IRONMAN-Triathlon von Hawaii.

Voraussetzungen

Alljährlich im Oktober, wenn der Mond in voller Größe erstrahlt, treffen sich in Kailua Kona auf Big Island „Eisenfrauen“ und „Eisenmänner“ aus aller Welt, wo sich an der Geburtsstätte des Ultratriathlons im sportlichen Wettstreit zu messen.
Zu diesen inoffiziellen Weltmeisterschaften ist nur zugelassen, wer sich im selben Jahr qualifiziert hat. Die Wettkämpfe hierfür sind festgelegt in Neuseeland, Australien, Lanzarote, Roth b. Nürnberg, Japan und Kanada.
Die Amerikaner als Veranstalter auf Hawaii können darüber hinaus ihre Qualifikation bei Wettkämpfen in den USA vergeben.
So werden jährlich ca. 1500 Wettkämpfer für die Weltmeisterschaften ermittelt. Tatsächlich traten am 30. Oktober 1993 1438 den Wettkampf an.

Bedenken bei der Vorbereitung

Meine Sorge, nach dem Saisonhöhepunkt im Juli 93 beim IRONMAN Roth, in Hawaii frühmorgens um 5.00 Uhr nicht gesund an den Start gehen zu können, war unbegründet.
Die Vorbereitungen auf diesen Wettkampf verliefen optimal. Ich reiste bereits 14 Tage vorher mit meiner Frau und einer deutschen Gruppe über Chicago und San Franzisko nach Hawaii. So konnten wir uns vor dem Wettkampftag noch ausreichend auf das Klima einstellen. Immerhin ist es dort jeden Tag ca. 30° heiß bei einer Luftfeuchtigkeit von über 70 % und dies sind Mindestwerte.

Seekranke und andere Athletinnen und Athleten

Das Schwimmtraining im Pazifik wurde somit zur angenehmsten Beschäftigung. Zumal bei einer Wassertemperatur von 26° die bunten exotischen Fische faszinierten.
Vier Tage vor dem Wettkampf ließ ein nächtlicher Sturm die Wellen hochschlagen. Ich dachte unwillkürlich an die Katastrophe auf der Nachbarinsel Kaui im Jahre 1991. Obwohl das Schwimmen in der aufgepeitschten See Spaß machte, kam man sich vor wie ein Jojo. Meine spätere Wettkampfschwimmzeit von 1:34:06 Std. wäre unter diesen

Bedingungen nicht möglich gewesen.

Bei idealen Bedingungen am Wettkampftag mussten immerhin 26 Athleten das Rennen aufgeben. Sie wurden seekrank oder wurden disqualifiziert. Es herrschten nach dem Reglement immer klare Verhältnisse, so wurden
Schwimmer ohne Badehaube aus Sicherheitsgründen aus dem Rennen genommen.

Triathlon = 5 Disziplinen

52 Athleten ereilte beim Radfahren die Disqualifikation oder sie gaben auf. Das Überfahren einer gelben Linie bedeutete das sofortige „Aus“ für den Athleten. Wurde er beim dichten Auffahren von einem motorisierten Kampfrichter beobachtet, bekam er die gelbe Karte und musste in der Wechselzone zum Laufen vier Minuten „Stehzeit“ in Kauf nehmen. Diese Regel wurde hier erstmalig angewendet, weil man das gefährliche Anhalten auf der Radstrecke vermeiden wollte.
Nach 6:11:14 Std. hatte ich meinen Radsplit absolviert. In dieser Zeit enthalten ist das Abwaschen des Meerwassers, das Präparieren der Gesäßpartie mit Vaseline und das Anziehen einer kompletten Radgarnitur.
Diese vierte Disziplin beim Triathlon, das Umkleiden, nahm ich bei diesem Wettkampf besonders ernst. So auch die fünfte und vielleicht alles entscheidende Disziplin, das Trinken und Essen.
Dies alles kostete Zeit und war dem Rhythmus nicht dienlich, dennoch unverzichtbar. Im Verlaufe des Rennens forderte die Hitze nämlich den vollen Einsatz des Körpers. So auch, als es die Steigungen der Kohala Berge zu erklimmen galt. Sie sind eine „Steigerung“ der Süchtelner Höhen. In den Bergen regnete es zum ersten Mal seit Bestehen des IRONMAN im Jahre 1978. Das Wasser verdampfte auf dem heißen Asphalt. Schon der Anblick
trieb einem den Schweiß aus allen Poren. Die Hoffnung auf etwas niedrigere Temperaturen am Wettkampftag musste ich hier aufgeben. Es stellte sich heraus, daß es der heißeste von den 14 Tagen der Vorbereitung war.

Allen gegen Holthausen

Als Mark Allen, der fünffache Sieger seine letzten fünf Meilen auf dem Highway begann, überholte ich ihn mit dem Rad und hatte noch 10 Meilen vor mir.
Es ist zwar faszinierend, mit den weltbesten Triathleten in einem Feld zu starten, aber solche Situationen motivieren nicht unbedingt.
Da sind es schon eher die Zuschauer an der Strecke, ein fachkundiges, lebhaftes Publikum. Die Athleten ruft man beim Vornamen und spricht ihnen Mut zu „You’re looking good, great job, good work“ sind die häufigsten Anfeuerungsrufe.

Wechselbad der Gefühle.

Auch in der Wechselzone vom Radfahren zum Laufen war die Begeisterung groß. Galt es doch jetzt die angespannten Muskeln daran zu gewöhnen, daß es nun nicht mehr rund ging, sondern vorwärts. Das Streckenprofil ist hierfür nicht gerade hilfreich. Zum Beginn läuft man eine ca. 600 m lange Steigung von ca. 13 % hoch und gleich wieder runter und nochmals hoch. Bei der Suche nach dem Laufrhythmus schwand die Hoffnung bei mir, ähnlich wie in Roth, die Marathonzeit deutlich unter 4:00 Std. zu halten.
Der Körper heizte sich derart auf, daß ich die 1600 Meter auseinander liegenden Verpflegungsstellen herbeisehnte. Eine perfekte Organisation stellte für jeden Athleten die optimale Versorgung sicher. Es gab eiskalte
Schwämme, Getränke und Kraftriegel an jeder Station. Nach etwa 10 Std. Wettkampfdauer und dem ständig eiskalten Trinken und Überschütten des Körpers mit Eiswasser trat ein nie gekanntes Phänomen auf. Ich bekam trotz der Hitze eine Gänsehaut vor Kälte. Ich wurde skeptisch, wie der Körper das verkraftet. Denn diese Situation kann man nicht trainieren. Aber es ging gut und gegen Ende des Marathons, etwa gegen 18:00 Uhr, als die Sonne unterging, kam ich noch einmal richtig in Schwung.
Zwei Athleten meiner Altersklasse konnte ich überholen. Obwohl das Streckenprofll und die Hitze, verbunden mit der hohen Luftfeuchtigkeit, dem Körper alles abverlangte, kam ich sagen, das Rennen hat in jeder Phase Spaß gemacht.
Sicherlich hat die mentale Einstellung zu diesem ganztägigen Abenteuer dies erst ermöglicht. Wie heißt es doch so schön: „Ein IRONMAN-Wettkampf wird im Kopf gewonnen“.

Der Mytbos von Hawaii

 Das Procedere der Siegerehrung direkt nach dem Zieleinlauf ist bis zum Ende um 24.00 Uhr immer das gleiche und für jeden Finisher unvergesslich

Ein Kranz aus Orchideenblüten wird jedem Athleten mit der Siegermedaille umgehängt und das Finisher-Shirt übergeben. Er wird umsorgt und ärztlich betreut, wenn es erforderlich scheint. Am . Siegerpodest warten die Fotografen.
Spätestens hier fallen dem Athleten all diejenigen ein, die ihm geholfen haben, diesen Triumph zu erringen. Als erstes ist meine Frau zu nennen, die seelisch moralischen Beistand leistete und meinen Wettkampf auf Video bannte.
Neben Kollegen, Freunden und Sportkameradinnen und Sportkameraden, die mich unterstützten, ist besonders Toni Fecher, seit zwei Jahren mein Physiotherapeut, für das verletzungsfreie und erfolgreiche Abschneiden mit verantwortlich.

Auch an dieser Stelle allen meinen herzlichen Dank.

Ich lief als 918. von 1438 Triathleten durchs Ziel. Dies bedeutete von den 54 Startern meiner Altersklasse wurden 4 disqualifiziert bzw. gaben auf und 50 erreichten das Ziel. Mit meiner Gesamtzeit von 11:48:06 Std. wurde ich 12 . bei den 50-54-jährigen Triathleten
Ich war rundum zufrieden.

Der Abschied

Das Fahrrad und alle anderen Ausrüstungsgegenstände wurden am Tag danach m der Wechselzone abgeholt. Es fehlte nichts, es war alles ganz geblieben und somit für das nächste Rennen wieder startklar. Die Organisation der Amerikaner war eben perfekt.
Am Abend des 5. November 1993 verließen wir Keahole Airport und flogen mit Zwischenstop in Honolulu, San Franzisko, Washington D.C. und Frankfurt nach Düsseldorf. Hier landeten wir am Morgen des 7. November 1993.
Mittlerweile laufen die Vorbereitungen für den Start beim Europa-Qualifikationswettkampf in Roth am 10. Juli 1994 programmgemäß.
Werden die Süchtelner Höhen zum ·wiederholten Mal das richtige Trainingsgelände sein, um in den Kohala-Bergen von Hawaii bestehen zu können? Schau’n wir mal.

Manfred Holthausen

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